Lac dal Drag
In der Nähe des Piz Sassalbo, Richtung Südosten, liegt in einem wunderschönen Gletscherbecken ein kleiner See mit dem Namen Lac dal Drag («Drachensee»). Von oben betrachtet erinnert er tatsächlich an ein Drachenauge. Aber wenn das, was da vor uns liegt, ein Drachenauge ist, wo ist dann der Drache? Was ist mit ihm geschehen? Niemand weiss es genau...
Die Alpen galten schon immer als bevorzugter Lebensraum von Drachen. Bis Ende des 18. Jahrhunderts glaubte man, Drachen würden die höchsten, unerreichbaren Gipfel bewohnen und gelegentlich auch an Gebirgspässen auftauchen.
Der Naturforscher Johannes Jacob Scheuchzer (Zürich, 1672−1733), der als Erster die Alpen erkundete, um ihre Meteorologie, Geologie, Mineralogie sowie ihre Flora und Fauna systematisch zu beschreiben, legte seine Erkenntnisse aus neun Forschungsreisen in dem Werk «Itinera alpina» dar. Darin finden sich mehrfach Belege für die Existenz von Drachen. Für Scheuchzer handelt es sich um eine Art von Schlangen; Drachen sind jedoch grösser und haben oftmals einen Bart und Schnurrhaare; ihre grau-schwarze Haut ist schuppig und sie geben gerne ein grausiges, zischendes Pfeifen von sich. Sie ernähren sich hauptsächlich von Vögeln, die sie im Flug aufsaugen; in ihrem riesigen Maul droht eine dreifache Zahnreihe.
Auf der Grundlage der gesammelten, als glaubwürdig eingestuften Beobachtungen, nimmt Scheuchzer eine Einteilung in elf Drachentypen vor, darunter der fliegende Drache, eine Art riesige, feuerspeiende Schlange mit Fledermausflügeln; der Drache mit der gespaltenen Zunge und dem widerlich stinkenden Atem; der Drache mit Schlangenkörper und Katzenkopf; bei den flügellosen, nicht klassifizierten Drachen handelt es sich womöglich um die Drachenweibchen. Bei aller Skepsis ist also durchaus Vorsicht geboten…