Das Wunder des Heiligen Jakobus
Der vielsprachige Apostel Jakobus, Sohn des Zebedäus, beschloss, die Welt zu bereisen und das Evangelium zu verkünden. Er zog über Land und Meer und kämpfte mit vielen Widrigkeiten. Eines Tages gelangte er an die Mündung eines engen, wilden Tales mit einem wunderschönen Bergsee. Er wanderte den See entlang und durch das Tal, dann steil den Berg hinauf. Es wurde Abend und so suchte er ein ruhiges Plätzchen für die Nacht. Zwischen den Bäumen erblickte er einige helle, grüne Wiesen. In deren Mitte war ein kleiner Hügel mit ein paar weissen Häusern.
Die Bewohner von Zarera und die römischen Soldaten, die dort herumlungerten und rund um die Uhr soffen, hatten sich längst an die vielen Wanderer aus dem Süden gewöhnt. Doch dieser kränkliche Pilgerer mit seinen grossen, nachdenklichen Augen beeindruckte sie. Schon am Tag nach seiner Ankunft begann er, mit den Soldaten zu sprechen. Auch die Dorfbewohner lauschten seinen Worten. Am meisten wunderte sie, dass der Fremde ihren Dialekt sprach, ganz so, als sei er einer von ihnen. Nach und nach schlossen sie ihn alle in ihr Herz. Im Dorf sprachen die Menschen von nichts anderem mehr als von dem guten Fremden und seinen mysteriösen Geschichten: von seinem Gott, dem Kreuz, das er an seinem Halse trug, von den Judäern und den vielen Wundern, die er vollbracht hatte. All das missfiel den Taugenichtsen aus Rom jedoch gehörig und so beschlossen sie, der Sache ein Ende zu bereiten.
Jakobus − damals noch kein Heiliger − erkannte deren böse Absichten und hielt es für angebracht, sich auf den Weg zu machen, bevor ein Unglück passiere. Als die Bergbewohner ihn fragten, warum er den Ort verlassen wolle, erzählte er ihnen von seiner Vorahnung. Unter den Zuhörern waren auch die römischen Söldner, die sich, als sie hörten, welch finstere Absicht man ihnen unterstellte, mit Gebrüll auf den Prediger stürzten.
In diesem Moment geschah das Wunder: Jakobus stemmte sich mit seinem Fuss und seinem Stock heftig gegen einen Felsen, machte einen gewaltigen Schritt und war plötzlich verschwunden. Auf dem Stein hinterliess er seine Fussspur und den Abdruck seines Stockes.
Noch heute ist an der alten Via delle Scale, kurz vor den tristen Schutthügeln des einstigen Dorfes Zarera, der Stein mit dem menschlichen Fussabdruck zu sehen. Und etwas dahinter erinnert uns die dem Heiligen Jakobus gewidmete Kapelle mit ihrem gedrungenen Türmchen an das Wunder. Ob prächtige Kirchen oder kleine Kapellen: Sie entstanden nicht willkürlich zwischen Häusern, so wie etwa Pilze unter Bäumen. Sie wurden von unseren Vorfahren vielmehr genau dort errichtet, wo einst Heilige vorbeigekommen waren oder sich Wunder ereignet hatten.