Der Bart des Wilden
Rund um den mächtigen Granit des Sassalbo lebten einst wilde Männer: behaarte Riesen, die, wenn sie Hunger hatten, sogar Menschen verschlangen. Zuweilen zeigten sie sich jedoch freundlich und hilfsbereit.
An einem Herbstnachmittag stiegen ein Bauer und seine Frau hinauf nach Sassiglion, um Brennholz zu schlagen. Sie wollten gerade eine gewaltige Lärche in Scheite spalten, als einer dieser bärtigen Walddämonen vor ihnen auftauchte. Die Saison war mager und der Wilde ziemlich ausgehungert, also riss er, ohne zu zögern, eine Kiefer aus und holte zum Angriff auf die beiden Unglücksraben aus.
Gedankenschnell warf sich die Bäuerin dem Monster zu Füssen und flehte es an: «Hilf uns, diesen Baum zu spalten und wir werden dir alles geben, was du willst». Die Idee gefiel dem Wilden und so nahm er den Baumstamm und bog ihn mit all seiner Kraft. Das Holz knarrte und begann langsam zu brechen. Der Wilde bemerkte nicht, dass sein langer Bart in einem Spalt im Holz hängenblieb.
Das war der richtige Moment: Die Bauersleute warfen sich auf den Wilden und drückten seine Stirn gegen den Baumstamm. Der Spalt im Holz schloss sich schlagartig wieder und der Bart des Wilden steckte fest.
Der Bauer und seine Frau nutzten den Moment und flüchteten ins Dorf hinunter. In Gedanken malten sie sich aus, welch böses Ende es für sie genommen hätte, wenn der Wilde nicht diesen hässlichen Bart getragen hätte.