Zarera
Oberhalb Pisciadel ist eine Stelle, wo sich lauter Ruinen von Gebäulichkeiten befinden, und diese Stelle heisst heute noch Ruini da Zarera (Ruinen von Zarera).
Dort stand, wie die Sage erzählt, das hübsche Dorf Zarera, welches aber von rohen, gottlosen Leuten bewohnt war, die man in der ganzen Umgebung verachtete und fürchtete.
Zarera war, der günstigen Lage wegen, eine bedeutende Haltstelle für Fuhrleute und Wanderer. Die aber wurden von den Einwohnern so schlecht gehalten und betrogen, dass sie sich hoch und teuer schworen, nicht wieder in diesen Ort einzukehren. Oft wurden sie beraubt und zudem bestrichen die Wirte die Zähne der armen Saum- und Fuhrpferde mit Seife glatt, dass sie kein Heu fressen konnten. Und doch mussten die Säumer und Fuhrleute das Heu zu unverschämten Preisen bezahlen.
Das ging lange Jahre so. Die Langmut des göttlichen Richters war erschöpft, doch warnte er die durch Geiz Verblendeten und in Betrug Verstockten, indem er ihnen eine Vision gab: Die Bewohner erblickten nächtlicherweile eine Jungfrau auf einem weissen Rosse um ihre Wohnungen herumreiten, mit lauter Stimme zur Busse und Besserung ermahnend. Es blieb jedoch beim Schrecken. Die leidenschaftlichen Bewohner höhnten die Warnerin.
Die Gnadenfrist war verstrichen. Der Tag der Rache brach an. Der Mittag verwandelte sich in Mitternacht. Furchtbar rollte der Donner. Der Orkan brach los.Die Waldbäche umschlossen das Nest der sündhaften Rotte. Der zuckende Blitz liess die Verstockten ihre verzweifelte Lage sehen. Von allen Seiten stürmten Fels-blöcke, Bäume samt Wurzeln, Massen von Schlamm ein. Als der Himmel sich klärte, war Zarera nicht mehr.
Hie und da sind auf den Ruinen Bäume gewachsen, und in der Mitte der Ruinen findet sich ein Platz, auf welchem kein Baum Wurzeln fasst. Darunter soll die Kirche von Zarera gestanden haben. Eine einzige Frau, die nicht mit allen anderen gehalten, wurde mit ihrem Säugling gerettet, ein Windstoss hatte die beiden fortgetragen und auf einen Rasenplatz niedergesetzt.